Lance’ Wecker klingelt noch vor dem Morgengrauen. Er schaltet ihn schnell aus, aber Robbie wacht trotzdem auf.
Bevor Robbie sich aufsetzen kann, drückt ihn Lance wieder nach unten.
„Keine Bewegung, Cowboy“, murmelt er und drückt ihm in der Dunkelheit einen warmen Kuss auf den Mund. „Es ist noch viel zu früh, um freiwillig aufzustehen.“
Es ist immer viel zu früh, wenn Lance verreisen muss. Robbie hat ein paar Mal vorgeschlagen, dass er in der Nacht zuvor in der Stadt übernachtet, doch Lance besteht darauf, dass er lieber vor der Morgendämmerung losfährt, als eine weitere Nacht getrennt zu verbringen.
Robbie macht es sich wieder in den Kissen bequem und beginnt seinen Part des vertrauten Gesprächs, das sie schon so oft geführt haben. Normalerweise startet er damit, Lance zu sagen, er solle nicht aufstehen, woraufhin er es nach langem Murren schließlich doch tut. „Es ist definitiv zu früh“, stimmt er zu.
Lance, der sich immer noch über ihn beugt und sich mit einer Hand auf der Matratze neben Robbies Schulter abstützt, lehnt sich so weit vor, dass sich ihre Oberkörper aufeinander pressen. „Ich will nicht gehen“, stöhnt er und vergräbt sein Gesicht in Robbies Halsbeuge.
„Ich weiß.“ Robbie streicht ihm mit der Hand über den Rücken. „Ich wünschte, ich könnte mit dir kommen.“
Lance lacht in sich hinein und Robbie kann die leise Vibration an seiner Brust spüren. Er küsst Robbie noch einmal, bevor er sich hochstemmt. „Ich weiß.“
Normalerweise ist es Robbie, der aufstehen muss, wenn es draußen noch dunkel ist, und der Lance auffordert, wieder einzuschlafen. Lance ist meist leicht zu überzeugen, doch wenn Lance seinen Wecker stellt, bleibt Robbie nicht im Bett liegen. Stattdessen trottet er nach unten, kocht Kaffee, checkt, ob Lance seine beiden Kameras eingepackt hat, und trägt dann das Gepäck zum Auto.
Doch heute rührt er sich nicht, als Lance ins Bad geht und die Tür hinter sich schließt.
Robbies Herz klopft wie verrückt. Er ist nervös, was eigentlich dumm ist.
Die Frage, die er gleich stellen wird, ist nicht das Problem. Er kennt die Antwort. Was ihn beunruhigt, ist der Wunsch, diesen Moment so zu gestalten, dass er Lance in Erinnerung bleibt und ihn für den Rest seines Lebens zum Lächeln bringt, wann immer er daran denkt.
In diesem Leben voller Verantwortungen, die zu übernehmen ihm die Ehre zuteilwurde, ist Lance’ Glück das, was Robbie am meisten am Herzen liegt. Er möchte Lance glücklich machen, jetzt und für den Rest ihres Lebens.
Sein Herz hämmert ihm bis zum Hals, als Lance das Licht im Bad einschaltet, das am unteren Ende wie ein winziger goldener Streifen unter der Tür hervorscheint. Sein Atem stockt, als sich die Tür eine gefühlte Ewigkeit später wieder öffnet, obwohl es wahrscheinlich nur wenige Minuten waren.
Der plötzliche Lichteinfall zwingt Robbie dazu, ein paar Mal zu blinzeln. Als seine Augen sich an die Veränderung gewöhnt haben, ist Lance klar zu erkennen. Seine golddurchwirkte braune Mähne ist zerzaust und er sieht Robbie ungläubig an, während er einen Ring hochhält.
„Ist das ein Verlobungsring?“, verlangt Lance zu wissen, während er mit einem Lächeln auf den Lippen zurück zum Bett stakst. Er ist komplett nackt und wird von der Deckenlampe im Bad, die er hinter sich angelassen hat, in goldenes Licht getaucht.
Robbie hat den Ring ganz bewusst in der Tonschale auf dem Waschbeckenrand platziert. Er stützt sich jetzt auf die Ellbogen und lächelt zaghaft, während er Lance’ Gesicht mustert, gespannt auf seine Reaktion. „Ja. Gefällt er dir?“
Lance lacht und beugt sich vor, um Robbies Kinn zu umfassen und ihn erneut zu küssen. „Natürlich gefällt er mir. Ich liebe ihn.“ Er schwingt sein Bein über Robbies Unterkörper, sodass er rittlings auf dessen Schoß sitzt. Robbie setzt sich auf, und beide schauen auf den Ring, den Lance zwischen Daumen und Zeigefinger hält.
Robbie hat sich bereits eingeprägt, wie der Ring aussieht, da er so besessen davon war, den richtigen für seinen Mann auszuwählen – glücklicherweise mithilfe von Lance’ bester Freundin. Der Ring ist außergewöhnlich, ein filigranes Band aus Weißgold, das durch seine zarte Schönheit auffällt, aber zu geometrisch ist, um feminin zu wirken. Hier und da ist es mit winzigen Diamanten besetzt, die es strahlen lassen.
Als Robbie den Ring sah, dachte er sofort an Lance. Offenbar hat ihn sein Bauchgefühl richtig geleitet, denn Lance lächelt breit, seine Augen leuchten sogar im Halbdunkel, während er den Ring betrachtet und mit einer Fingerspitze über einen der Diamanten streicht.
Robbie nimmt ihm das Band mit einer Hand ab und ergreift mit der anderen Lance’ Linke. Ihre Blicke treffen sich. Vielleicht hätte Robbie den Antrag genauso sorgfältig planen sollen wie die Wahl des Rings. Immerhin gibt es Dinge, die er sagen sollte, richtig?
Doch in diesem Moment wird ihm klar, dass keine blumigen Worte nötig sind. Während er Lance anschaut, wird dessen Lächeln noch breiter, bis sein Gesicht zu strahlen scheint. Lance senkt sein Kinn mit einem einzelnen, entschiedenen Nicken.
Robbie, der sich noch nie in seinem Leben so sicher war, steckt Lance den Ring an den Finger und küsst seinen Handrücken. Seine Haut und das Mentall des Ringes fühlen sich kühl unter seinen Lippen an, doch erwärmen sich schnell.
„Du hast ihn in der Tonschale gelassen“, sagt Lance leise, fast flüsternd.
Robbie lächelt.
Manchmal begleitet Robbie Lance auf seine Abenteuer außerhalb der Ranch, doch normalerweise geht Lance allein. Allein, bis auf die kleinen Schätze, die in seine Taschen wandern. Die Schale ist Robbies Art und Weise geworden, Lance die kleinen Dinge zu geben, die er gerne sammelt.
Es begann mit den Manschettenknöpfen. Sie waren ein Geschenk von Lance, zusammen mit einem maßgeschneiderten Anzug für besondere Anlässe – Abendessen mit Käufern und Galerieeröffnungen. Robbie wusste, dass dieses Geschenk einen Ehrenplatz in ihrem Haus verdiente, aber bis er herausgefunden hatte, wo dieser war, beschloss er, die Manschettenknöpfe in die blaue Schale im Badezimmer zu legen.
Die Schale war eines von Dannys Kunstprojekten in der Grundschule – ein mit unbeholfenen Kinderhänden geformtes Meisterstück aus gerollten Tonwürsten, in dessen Boden ‚für Robbie‘ und ein Herz eingeritzt waren. Für Robbie war sie schon vor dem Hausbrand einige Jahre zuvor unersetzlich, aber danach bedeutete sie ihm noch mehr, da sie zu den wenigen Dingen gehörte, die jene katastrophale Nacht überlebt hatten.
Als Lance das nächste Mal übers Wochenende verreiste, fehlten die Manschettenknöpfe.
Einen Moment lang geriet Robbie in Panik und fragte sich, ob er sie verlegt hatte. Doch er hatte schnell eine Vermutung, wo sie sein könnten. Diese Vermutung bestätigte sich, als Lance ein paar Tage später zurückkehrte und die Manschettenknöpfe wieder an ihrem angestammten Ort lagen.
Er kannte Lance’ Drang, Dinge zu nehmen, die ihm nicht gehörten, schon lange. Der Vorfall mit den Manschettenknöpfen war lediglich eine Erinnerung daran. Also begann Robbie, absichtlich Dinge für Lance in der Schale zurückzulassen. Eine geflochtene Strähne von Pocos Mähne. Den Messingknopf von seinem alten Lieblingsmantel, den er immer wieder annähen wollte, aber nicht konnte. Eine Schnitzerei in Form einer Kuh, die eher wie ein Hund aussah.
Lance nahm Robbies Gaben wortlos an und Robbie stellte sich ihn oft wie eine Gottheit vor, die seine Zehnten akzeptierte.
Jetzt schlingt Robbie seine Arme um Lance’ Mitte und zieht ihn eng an sich, wobei er zittrig aufatmet.
Lance lacht leise und fährt Robbie durch die Haare. „Ach, Baby, komm schon. Dachtest du, ich würde Nein sagen?“
„Nein, darum habe ich mir keine Sorgen gemacht“, gesteht Robbie, doch seine Kehle wird eng. „Ich liebe dich einfach so sehr.“
Das Lachen ist aus Lance’ Stimme verschwunden, als er antwortet: „Ich weiß genau, was du meinst.“
Robbie atmet noch einmal tief durch und entspannt sich in Lance’ Armen. Denn Lance weiß genau, wie es sich anfühlt. Robbie ist sich sicher, dass er es weiß, nicht wegen der simplen Worte, sondern weil Robbie es in ihrer Umarmung spüren kann.
In Bezug auf Lance waren Robbies Körper und Seele immer schneller als sein Kopf. Vielleicht ist es deshalb einfacher für ihn, Lance zu zeigen, was er ihm bedeutet, als die richtigen Worte zu finden, um es zu erklären.
Also ergreift Robbie Lance’ Taille, dreht ihn auf den Rücken, und zeigt es ihm.
Als die Sonne aufgeht, liegen sie eng aneinander gekuschelt, immer noch schwer atmend, im Bett, während der Schweiß auf ihrer Haut abkühlt. Lance verschränkt ihre linken Hände und hält sie hoch, sodass die Strahlen des Sonnenaufgangs durch das große Fenster über dem Bett ihre Ringe in ein Flammenmeer taucht.
Robbie hatte sich Sorgen gemacht, dass er Lance schon früher einen Ring hätte schenken sollen. Es ist schon einige Monate her, seit Lance Robbie seinen gegeben hat. Doch jetzt, in diesem Moment, fühlt sich das Timing perfekt an.
So perfekt, dass er sich eine weitere Frage nicht verkneifen kann. „Lass uns heiraten?“
Lance dreht seinen Kopf, eine Augenbraue hochgezogen, und sieht Robbie verwirrt an. „Offensichtlich. Du hast Ja gesagt, ich habe Ja gesagt. Wir haben es mit fantastischem Sex besiegelt. Ich denke, die Sache ist in Sack und Tüten.“
Robbie unterdrückt ein Lächeln und macht einen weiteren Vorstoß. „Ich meine, lass uns ein Datum festlegen.“
Lance’ Augen weiten sich. „Wirklich?“
„Ja.“ Robbie drückt seine Hand. „Und lass es uns bald machen.“
Lance beißt sich auf die Lippe und lächelt breit. „Gerne. Vielleicht … ich weiß nicht … zu Beginn des Winters? Ich weiß, das ist sehr bald, aber …“ Seine Wimpern streifen seine hohen Wangenknochen, als er abschweift und den Blick senkt – ein seltener Moment, in dem Robbies kühner, schöner Mann schüchtern ist. „Ich würde dich gerne im ersten Schnee heiraten.“
Robbies Atem stockt und Lance murmelt „Baby“ und küsst den Augenwinkel, in dem sich eine einzelne Träne gebildet hat. Dann setzt sich Robbie ruckartig auf, und Lance rollt mit einem leisen Japsen zur Seite. „Was –?“
„Dein Flug“, ruft Robbie aufgebracht und greift nach seinem Handy auf dem Nachttisch, um zu sehen, wie viel Uhr es ist.
„Oh, ja, den habe ich verpasst. Sie boarden wahrscheinlich …“ Seine Stimme stockt und er blinzelt, als Robbie ihm das Handy zudreht, und sagt dann: „Jetzt gerade.“
Robbie vergisst die Entschuldigung, die ihm auf der Zunge liegt, als Lance sich zurück in die Kissen fallen lässt – eine sich majestätisch rekelnde Nymphe im Licht der Morgensonne und der Stoff, aus dem Robbies Träume gemacht sind. Lance grinst und zwinkert ihm zu. „Ich kann ohnehin nicht weg. Immerhin muss ich eine Hochzeit planen.“